Das Gautschen

Das Gautschen ist ein alter Buch­drucker­brauch, bei dem ein Lehrling nach bestandener Abschluss­prüfung im Rahmen einer Frei­sprechungs­zeremonie in einer Bütte unter­getaucht und/oder auf einen nassen Schwamm gesetzt wird.

 

 

Die Bezeichnung «Gautschen» ist der Fach­sprache der Papier­macher entnommen, worunter man das Zusammen­pressen der Papier­bahnen zum Zwecke der Ent­wässerung versteht. In der Drucker- und Setzer­sprache nennt man das Gautschen den feierlichen Taufakt, der den Ausgelernten erst berechtigt, sich im Kreise der Gehilfen als zünftiger Berufs­genosse zu fühlen. Als Bestätigung, dass der Ausgelernte die «Wassertauf ad posteriorum et podexiorum» erhalten hat, wird ihm anschliessend der «Gautsch­brief» ausgehändigt. Diese Urkunde ist kein Lehrbrief, sondern eine Art Zunft­zeugnis, das den Inhaber als redlichen Jünger der schwarzen Kunst ausweist.

 

Die Beteiligten

Zu einem Gautschakt gehören neben dem Gäutschling (auch «Kornut» genannt) der Gautsch­meister, der erste und zweite Packer so wie der Schwamm­halter. Meist gibt es noch eine unterschiedliche Zahl an Zeugen oder mehrere Packer, die auch auf dem Gautsch­brief ihre Anwesenheit durch Unter­schrift bekunden. Nass geht es auch heute noch zu wenn gegautscht wird. Aber nicht nur der Täufling wird nass, sondern oft auch die Packer, Zuschauer und auch Ehren­gäutschlinge, welche vorher nichts von ihrem «Glück» wissen.

 

Der Ablauf

Auf den Ruf des Gautschmeisters «Packt an!» wird der Jünger gefasst, in eine mit Wasser gefüllte Wanne oder, wenn man es weniger drastisch machen will, auf einen mit Wasser vollgetränkten Schwamm gesetzt. Bei manchen Druckereien wird zur Taufe auch ein in der Nähe des Betriebes liegender Brunnen herangezogen. Jedenfalls muss zumindest dafür gesorgt werden, dass das Hinter­teil gehörig angefeuchtet wird. Da aber der Jünger sich oft tapfer wehrt, um sich schlägt und beisst, gelingt das Anpacken oft nicht immer auf den ersten Angriff. Je mehr er sich wehrt, desto mehr wird er auch noch von oben herab begossen, sodass der Jünger am ganzen Körper pudel­nass wird. Gelegentlich wird das Gautschen auch als symbolische Mass­nahme betrachtet, um die schlechten Gewohn­heiten aus der Lehr­zeit abzuwaschen.

 

Die komplette Gautsch-Zeremonie

Wir Jünger der wohledlen Kunst und verordnete treue Hüter alten guten­bergischen Erbes, werden heute an Euch in Anwesenheit sämtlicher zünftiger Meister als auch Gesellen unserer Kunst die Wasser­taufe ad posteriorum et podexiorum, mit wohl­angewendetem Fleiss und in gebührlicher Weise vollziehen.

 

Altem Ursprung und Her­kommen gemäss und alles billig erachtet, wird der weihevolle Actus unter gewissen­hafter Beachtung aller mennig schicklicher Zeremonien vor sich gehen, und mit einem ehrenvollen Trunk aus dero Humpen besiegelt werden. Kraft dessen Ihr Kornuten aus dem Kornuten­stande entlassen, und damit in alle uns von weiland Kaiser Friedrich verliehenen Rechte eingesetzt, sowie in den Kreis der ehrlichen Zunft­genossen aufgenommen.

 

Darum Gesellen PACKT AN!
lasst seinen Corpus Posteriorum
auf diesen Schwamm fallen
dass triefen beide Ballen
(auf nassen Schwamm setzen)

Der durst’gen Seele gebt ein Sturzbad obendrauf,
das ist den Jüngern Gutenbergs die allerbeste Tauf.
(Wassereimer über Kopf ausleeren)

Damit sichergestellt ist, dass die Person durch und durch nass ist,
vollziehen wir nun die Taufe «ad Podexiorum»
(Tauchbad)

Es sei denn, PACKT AN!

 

Gesellen!

In Wahrung von Brauch und Sitte, habt Ihr nunmehr im Namen unseres Alt­meisters Guten­berg, die Wasser­taufe «ad posteriorum et podexiorum» empfangen und seid damit für alle Zeit als ehrbare Gesellen anerkannt. Wir erwarten von euch, jetzt und immerdar, dass ihr als echter Kollege und Mensch auch eurer hohen Aufgabe und Verantwortung bewusst seid und stets also handelt, wie es unserem schönen Berufe und edlem menschlichem Tun geziemet. Im Beisein der hier Versammelten übergebe ich euch nun den Gautsch­brief, als Zeichen eurer Würde.